Nachtzug nach Portugal

Mal wieder Urlaub, und ich will zugfahren, Sonne, Meer, Berge, Bewegung und gutes Essen. Und dann ist Portugal gar nicht mehr weit in den Gedanken. Und tatsächlich ist Berlin – Lissabon auch ohne Flugzeug mit nur 2x umsteigen möglich!

Ideale Einstimmung auf das Reisen fand ich am ZOB vor. Einer der letzten warmen Abende in Berlin. Der Bordstein war noch sonnengeheizt, im Abendlicht gab es dann Weingummis und Bier, und in aller Ruhe der Blick auf das hektische Treiben der Ankommenden und Abfahrenden. Und schlafen im Bus war dann ganz einfach, denn ich war müde und hatte Musik auf den Ohren…

Berlin

In Paris hat mich das Morgengrauen empfangen, und mit in die Stadt genommen, die glänzende Seine vor den ersten Sonnenstrahlen war so wunderbar und friedlich. Keine Hektik, weder die Stadt noch ich, und wir haben gut harmoniert bei Milchkaffee und Croissant. Meinen langen Schatten folgend lief ich durch die noch einsamen Straßen und fand das erste Leben im „Jardin du Luxembourg“. Hier halten sich die Pariser also morgens auf, und präsentieren sich als ambitionierte Jogger, die auf dem Kies ihre Runden drehen. Eine große Stuhlreihe um den zentralen Garten herum war noch ganz leer, dass ich freie Platzwahl hatte, und natürlich habe ich den Platz in der Sonne gewählt (es gab auch nur Sonnenplätze – ein sehr sehr großzügiger und einladender Garten) und mein Frühstück ausgepackt und „die Geschichte von Herrn Sommer“ gelesen.

 

Und bis zum Abend war ich schon dank TGV in Hendaye, zweiter Umstieg. In der Grenzstadt habe ich im Abendlicht bei 30°C eine Stunde Aufenthalt und trinke Bier, dazu Quiche und baskisches Gebäck.

HOT313: HOT steht wahrscheinlich für Hotel und der Zug 313 wird mich durch die Nacht nach Portugal bringen. Ich teile mir ein Abteil mit 2 weiteren Deutschen und einem Japaner, alle auf dem Weg nach Lissabon, alle gleich aufgeregt, weil eben „Nachtzug“ und „Lissabon“ eben triggert, was über Schienenstränge und Schlafwagenabteil hinausgeht… Trotzdem ist der Zug nicht einmal halb voll, nicht schlimm, denn die Freude an der Langsamkeit des Reisens lässt sich eh am besten mit weniger Menschen teilen. Ich weiß dann nach Abfahrt allerdings nicht so richtig etwas mit mir anzufangen und setze mich in den Speisewagen, mehr eine Bar und warte mit Musik auf den Ohren und Notizbuch vor mir auf der Theke auf die Nacht. Langsam füllt sich der Restaurantwagen, ich trinke Superbock, mein erstes portugiesisches Bier. Dabei beobachte ich die mehr oder weniger zugverliebten Reisenden jedes Alters, die kommen und gehen.

 

Der Zug fährt dann so langsam, das der Sturm Leslie vor mir in Lissabon ist, und dieser nimmt die Atlantikküste wohl doch so sehr in Anspruch, dass auf der Zugstrecke irgendwann nichts mehr geht und wir einfach stehen – über Stunden. Keiner der Passagiere oder des Personals weiß, wie und wann und ob es weitergeht. Einige Reisende verlassen den Zug und finden Busse oder Taxis, die sie weiterbringen in Richtung Zielort. Ich bleibe im Zug, das Personal ist ja schließlich auch noch da. Quälend wird vor allem der leere Magen, wollte ich doch eigentlich zum Frühstück in Lissabon ankommen. Der Restaurantwagen ist nicht mehr geöffnet, der Chef des Zugrestaurants ist dann aber doch gnädig und macht mir ein Toast mit Schinken und Käse. Das verkürzt die Zeit und dann sind wir tatsächlich irgendwann in Lissabon, am späten Nachmittag aber immerhin noch bei Tageslicht, dass ich mir in Ruhe eine Unterkunft suchen kann. Zur Ankunft esse ich Maronen vom Straßengrill. Die nächsten Tage streife ich durch die Stadt, immer bewusst und ziellos verliere ich mich in den Straßen der Stadt.

 

Meine Top 5 Lissabon:

Bäume: Toll, wie sie sich immer in die engen Straßen zwängen und wie Kommensalen mit dem Treiben interagieren. Viele wahrscheinlich älter als die Ältesten hier, spenden im Sommer Schatten und helfen der so dichten Stadt beim Atmen.

Nachtspaziergang: Ich finde die besondere Schönheit im spärlichen Licht der Laternen und abseits der Touristenströme, die Kacheln der Häuser scheinen besonders intensiv im orangenem Licht und ich vergesse einfach zu schauen, wo ich bin.

Straßenbahnen: Ich beobachte, wie elegant sie die Berge rauffahren, und will mich trotzdem nicht hineinzwängen. Aber ich winke gerne den Fahrgästen zu, weil auch kleine Gesten zählen.

Die Treppen und die Steigen: 7 Hügel sollen es sein, sagt Fernando Pessoa (so wie Stuttgart oder Rom). Ich habe viel mehr gezählt, und meine schweren Beine am Abend sind gute gute Argumente, dass es mehr als 7 sind.

Kacheln: Es hat wirklich jedes Haus sein eigenes Muster

 

 

Camino Portugues

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Beim zweiten Teil der Reise werde ich begleitet von Sonja, wir treffen uns am Bahnhof in Porto und sind gleich schon unterwegs zunächst durch die Stadt und zur ersten Unterkunft. Ich bin beeindruckt von den Türen und Balkonen der alten Häuser und den leuchtenden Farben der Stadt. Wir verirren uns in einer exzentrischen Buchhandlung und hören den Räuberpistolen eines der Angestellten zu. In Porto bin ich morgens beeindruckt von dem Kreischen der Möwen, das noch viel lauter und herzzerreißender ist als das einsamer Katzen. Und jede Pastelaria entlang unserer Wege hält ein Pastel de Nata für uns bereit.

 

Gekonnt setzen wir uns dann auf dem Weg nach Santiago de Compostela von den Pilgerströmen ab. Uns wird bewusst, dass wir nicht jede Entbehrung abgenutzter Pilgerherbergen erfahren können ohne Pilgerausweis, dem offiziellen Mitgliederausweis der Leidensbrüder und -schwestern. Ohne den käuflich zu erwerbenden Pilgerausweis und damit die Aufnahme in den Club der Priviligierten können wir also keine Barmherzigkeit erwarten. Es geht aber in der Nebensaison dann auch mit Hotels und Pensionen; und dass wir Busse nehmen, wenn Orte oder Leute auf den gut ausgeschilderten Wegen öde erscheinen, verraten wir nur ausgewählten Mitpilgern. So kommen wir, in angenehmer Gemütslage, und wenn nicht, dann eben nach ausgiebiger Siesta im irgendwo, auch irgendwie und irgendwann in Santiago de Compostela an. Und Blasen haben wir trotzdem an den Füßen, haben ja trotzdem oft weit über 20 Kilometer am Tag zurückgelegt.

 

 

Meine Top 5 auf dem Camino:

Das gemeinsame Reisen: knüpft natürlich Bedingungen, und einmal darauf eingelassen erweitert es die Blickweite und die Horizonte – in manchen Augenblicken ganz entscheidend. Und so hat die eine oder die andere vermeintliche Schnapsidee meiner Reisebegleitung die Tür zu wunderbaren Orten und Ereignissen geöffnet, und sowieso können Quatschen und Albern sehr befreiend sein.

Atlantikstrand: Schuhe aus und den weichen Sand spüren; Blick auf den Boden, die wundersam leuchtenden Steine in der Oktobersonne erzählen ihre Geschichten durch unsere Fantasie. Und Erfrischung findet sich immer mal wieder zwischen den Wellen und Wogen.

Weintrauben/Früchte am Wegesrand: Wir sind fasziniert, dass selbst nach der Ernte immer noch Trauben an den Weinstöcken zu finden sind. Zu Beginn stellen wir im Übereifer und in gekonnter Teamarbeit mit echter Räuberleiter selbst 3 einzelnen Trauben in schwindelerregender Höhe über uns nach. Später stopfen wir in den Weinfeldern die Trauben nur so in uns hinein, bis die Zunge blau und mir zumindest schlecht wird. Und der Vinho Verdhe ist eigentlich eine eigenen Geschichte… Ebenso die Äpfel, Mandarinen und Feigen…

Bacalhao/Fisch: Schmeckt so wie das Meer riecht und umgekehrt. Und so bin ich den ganzen Tag hungrig oder satt oder beides zugleich. Es hat immer besondere Freude gemacht, die Orte zum Speisen abseits der Touristen und auf Empfehlung der Menschen von der Straße zu finden. Und Essen ist dann auch immer viel mehr als das Füllen des Magens.

Santiago de Compostela vor Sonnenaufgang: Der Morgen gehörte als Morgenmensch immer mir und ganz allein, und wurde gefüllt durch die Suche nach dem Kaffee als Start in den Tag. In Santiago fand die Suche in den kleinen Gassen noch im Schein der Laternen statt, der ganz allmählich abgelöst wurde durch die Lichter der anbrechenden Tages. Eine wunderbare Stimmung zum Abschluss der Reise.